Jüdische Mathematiker in der deutschsprachigen akademischen Kultur

- eine Wanderausstellung im Rahmen des Jahres der Mathematik 2008



Aufbau der Ausstellung

Die Ausstellung ist in acht Stationen gegliedert. Die ersten beiden Stationen geben eine allgemeine Einleitung in das Thema der Ausstellung, die letzte Station fasst die wichtigsten Tatsachen der Verfolgung und Vertreibung zusammen. Die übrigen Stationen sind weitgehend unabhängig von einander und können in beliebiger Reihenfolge betrachtet werden.

Station 1
Rahmenbedingungen jüdischen akademischen Lebens im deutschsprachigen Raum 

Die Station fasst nach einem kurzen Überblick über jüdisches Leben vor der rechtlichen Emanzipation im 19. Jahrhundert die gesetzlichen und politischen, aber auch kulturellen Rahmenbedingunen jüdischen Lebens in den deutschen Staaten bis 1933 zusammen. Die Stufen der Emanzipation und die sich daraus ergebenden Karrieremöglichkeiten werden vor allem für Preußen und das Kaiserreich erläutert, ebenso die Wellen des Antisemitismus, die sich durch das späte 19. und frühe 20. Jahrhundert zogen. Mit dem „Aufstieg durch Bildung“, der das kulturelle Selbstverständnis vieler jüdischer Bürger im 19. Jahrhundert kennzeichnet, wird auch ein wichtiger Hintergrund der Tätigkeit jüdischer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler vom Kaiserreich bis in die Weimarer Republik dargestellt. 

Station 2
Prosopographie

Diese Station präsentiert Daten über jüdische Mathematikerinnen und Mathematiker im deutschen Kaiserreich und der Weimarer Republik. In einer Tabelle werden zunächst alle Namen und Wirkungsorte der selbstständig an Hochschulen forschenden und lehrenden jüdischen Mathematikerinnen und Mathematiker zusammengetragen, die uns bekannt sind. Die Station sucht ferner einen Überblick darüber zu geben, wie sich die Präsenz jüdischer Mathematiker an den Hochschulen während des untersuchten Zeitraums von etwa 150 Jahren unter dem Einfluss der fortschreitenden Emanzipation veränderte. Das Material wird ergänzt durch eine (unvollständige) Liste von Quellenbeständen zu den erfassten Personen in deutschen Universitätsarchiven. Die hier gesammelten Daten sind für die Mathematik derzeit wohl die umfassendsten ihrer Art. Die Datenbestände sollen auch künftig weiter ergänzt werden.

Station 3
Orte jüdischer Kultur in der Mathematik

Wie Station 2 zeigt, wirkten jüdische Mathematiker nicht an allen Orten gleichermaßen. Für jüdische Bürger spielte der besondere Charakter einer Stadt – und ob sie jüdischem Leben Raum gab oder nicht – eine wichtige Rolle. Diese Station behandelt daher verschiedene Orte, an denen über einen längeren Zeitraum hinweg jüdische Mathematiker am mathematischen Leben der Stadt beteiligt waren. Dazu gehören die beiden großen Zentren Berlin und Göttingen, aber auch andere Städte, in denen die deutsch-jüdische Kultur besonders lebendig war, wie Bonn und Frankfurt am Main. Weitere Orte, die knapp berücksichtigt werden, sind Heidelberg, Königsberg und Zürich. Für einige Orte sucht die Station auch exemplarisch darzustellen, wie das mathematische Leben in diesen Städten mit der jüdischen Kultur der Stadt verbunden war.

Station 4
Mathematische Werke

In dieser Station werden etwa 50 ausgewählte klassische Monographien, einflussreiche Lehrbücher und in einigen Fällen Gesammelte Werke jüdischer Gelehrter zur Einsicht präsentiert. Etliche der ausgestellten Bücher gehören zu den bedeutendsten mathematischen Werken ihrer Zeit.

Station 5
Tätig für die Profession

Schon früh engagierten sich jüdische Mathematiker auch in den Organen der mathematischen Profession – in der Herausgabe von Zeitschriften und Jahrbüchern, in der Zusammenarbeit mit Verlagen, und nicht zuletzt in den mathematischen Berufsverbänden. Die Station erinnert an einige Persönlichkeiten, die das deutschsprachige mathematische Publikationswesen des 19. und 20. Jahrhunderts entscheidend geprägt haben: Carl Wilhelm Borchardt, Leon Lichtenstein, Otto Blumenthal, Richard Courant und Richard v. Mises. Außerdem wird die Beteiligung jüdischer Mathematiker an der Gründung der Deutschen Mathematiker-Vereinigung und der Gesellschaft für angewandte Mathematik und Mechanik beleuchtet.

Station 6
Mathematische Bildung / Mathematik in der Kultur

Über die Grenzen ihrer Fachgemeinschaft hinaus waren jüdische Mathematiker wesentlich daran beteiligt, die faszinierenden Fragestellungen ihrer Disziplin einer größeren Öffentlichkeit zugänglich zu machen und die Stellung der Mathematik in der Kultur darzulegen. Die Station stellt ausgewählte Aspekte dieser Tätigkeit dar – von der Kontroverse zwischen Alfred Pringsheim und Felix Klein über die Frage, wie moderne Anfängervorlesungen in Analysis gestaltet werden sollten, über weit verbreitete populäre Schriften bis hin zu Eingriffen jüdischer Mathematiker in die Debatten der Weimarer Zeit über kulturelle Fragen.

Station 7
Antisemitismus und Klischees des „Jüdischen“ in der Mathematik

Der Antisemitismus, der seit Jahrhunderten zur jüdischen Geschichte gehört und mit der rechtlichen Gleichstellung der Juden nicht geringer wurde, machte auch vor der akademischen Welt des Kaiserreichs und der Weimarer Republik keinen Halt. Die Station stellt einerseits den „gewöhnlichen“ Antisemitismus dieser Zeit dar, der alle jüdischen Mathematiker des hier behandelten Zeitraums betraf und sich in Vorurteilen und Klischees ausdrückte, aber auch – wie einige Exponate deutlich vor Augen führen – in der Berufungspolitik der Universitäten. Zum anderen wird an die dramatische Entwicklung vom Klischee zum Rassenwahn des Nationalsozialismus erinnert. Auch in der mathematischen Kultur ist diese Entwicklung in Dokumenten, Texten und Handlungen greifbar – nicht zuletzt in den Pamphleten der sog. „Deutschen Mathematik“.

Station 8
Verfolgung und Vertreibung

Die letzte Station der Ausstellung fasst das heutige Wissen über die Verfolgung und Vertreibung jüdischer Mathematikerinnen und Mathematiker ab 1933 zusammen. Sie erinnert an Entlassungen, Emigration, Flucht und in manchen Fällen Tod und Ermordung. Auch der Umgang der Deutschen Mathematiker-Vereinigung mit ihren jüdischen Mitgliedern wird kurz beleuchtet. Schließlich werden die Bedingungen für die Emigranten in den Aufnahmeländern und die historisch noch weitgehend unerforschte Frage einer möglichen Rückkehr nach Deutschland beschrieben. Da alle diese Themen im Rahmen der Ausstellung nur knapp angedeutet werden können, weist die Station auch auf die vorliegenden Quellen und einschlägige Forschungsliteratur hin.


Das Anliegen der Ausstellung

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zuletzt geändert am 29.9.2011, me